Sonntagmorgen als ganz normaler Gottesdienstbesucher: Freust du dich aufs Singen?
Unbedingt! Wenn ich verreise, gehe ich gerne in die dortigen Gottesdienste und freue mich total, dann einfach mal mitmachen. Im letzten Sommer war ich in Bayern und bin dort einige Male zum Gottesdienst gegangen. Das eröffnet ganz neue Perspektiven.
Worauf kommt es dir als Chorleiterin an?
In erster Linie mag ich es, wenn der Chor als Gruppe gut funktioniert. Wenn es dann noch gelingt, dass diese Gruppe auf dem ihr angemessenen Niveau gemeinsam musiziert und sich entwickelt, dann ist es gut. In all meinen Chorgruppen menschelt es sehr, das mag ich gerne. Wir feiern Geburtstage und Jubiläen und sind auch manchmal gemeinsam traurig. In Nicht-Pandemie-Zeiten machen wir auch oft Ausflüge. Ich möchte mit meinen Chören gerne mehrmals im Jahr auftreten, sowohl in Gottesdiensten als auch in Konzerten. Das erfordert eine langfristige Planung und Zuverlässigkeit bei den Probenbesuchen.
Wie reagierst du, wenn jemand sagt: „Ich bin total unmusikalisch“ oder „ich kann nicht singen“?
Ich glaube, dass in jedem Menschen Musikalität steckt, in manchen mehr, in manchen weniger. Es gibt doch wohl hoffentlich niemanden, der sich nicht von Musik berühren lässt. Wenn jemand von sich selbst sagt, dass er nicht singen kann, ist er meistens in seiner Kindheit und Jugend schon von irgendjemandem, der keine Ahnung hat, abgekanzelt und mundtot gemacht worden.
Was ist für dich gute Musik?
Für mich ist Musik dann gut, wenn sie mich in irgendeiner Weise berührt. Warum das dann so ist, kann ich nicht genau sagen; das ist aber vielleicht auch nicht so wichtig. Musik löst Emotionen aus und kann Herzen öffnen, das finde ich gut. Musik kann auch Erinnerungen wachrufen und lässt mich Sorgen vergessen.
Wie bist du zur Musik gekommen?
In meinem Elternhaus wurde nicht viel Musik gemacht, obwohl mein Vater sehr musikalisch war, er finanzierte sein Studium unter anderem als Barpianist. Rein zufällig bin ich mit einer Aufnahme der Weihnachtshistorie von Heinrich Schütz in Berührung gekommen, diese Musik hat mich schon als sehr junger Mensch total begeistert und fasziniert. Ich hatte sehr früh Klavier- und Querflötenunterricht und in der Schule habe ich im Chor gesungen und im Orchester mitgespielt, das fand ich schön. Die meiste Zeit habe ich mich dann aber doch eher mit weltlicher Musik beschäftigt und bin erst spät auf den Gedanken gekommen, mir mit Musik meinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Klatschen in der Kirche – was hältst du davon?
Warum nicht? Mitten im Gottesdienst fühlt es sich ein bisschen seltsam an, aber den Gottesdienstbesuchern ist es oft ein Bedürfnis, am Ende zu klatschen. Und bei Konzerten wird doch am Ende auch geklatscht, es sei denn, es ist ein sehr trauriges. Zuletzt habe ich bei einem Konzert an Karfreitag mitgewirkt, da wurde nicht geklatscht.
Gibt es Musik, die du ablehnst?
Wer schon einmal bei einem meiner Mitsingkonzerte war, weiß, dass ich prinzipiell jedem Liedgut etwas abgewinnen kann, auch dem seichtesten Schlager. Absolut unerträglich für mich ist Rechtsrock, also Musik mit rechtsextremem und neonazistischem Gedankengut sowie Lieder mit frauen- oder generell menschenfeindlichen und/oder homophoben Inhalten.
Muss man Musikhören auch üben?
Das glaube ich durchaus. Musikalisches Verständnis für verschiedene Stilrichtungen kann man lernen, es ist eine Frage der (Hör)Gewohnheiten.
Welches große Werk würdest du gern noch aufführen oder welches Genre bedienen?
Im Augenblick bin ich froh, wenn es überhaupt Aufführungen gibt. Corona und die Baumaßnahmen in der Lukaskirche haben es mir nicht leicht gemacht, Pläne zu schmieden und umzusetzen. Dabei habe ich ständig neue Ideen. Was ich wirklich gerne einmal aufführen würde, ist das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach. Und ich würde gerne regelmäßig Gospel-Workshops anbieten.
Was macht als Chorleiterin am meisten Spaß und was am wenigsten?
Wirklich viel Spaß macht es zu sehen, wie sich ein Musikstück entwickelt. Als Chorleiterin suche ich für die jeweiligen Gruppen Stücke heraus, stelle sie vor und wir üben sie ein. Die Sängerinnen und Sänger bekommen nach und nach Gefühl für Musik und Text und am Ende musizieren wir gemeinsam, das ist wirklich schön. Wenn ich das Gefühl habe, dass die Menschen am Ende der Probe entspannt und froh nach Hause gehen, freue ich mich. Nicht so viel Spaß macht es zu sehen, wenn es den Chor sehr anstrengt, weil ein Stück schwerer ist als gedacht, wenn alle stöhnen und es lange dauert mit dem Lernen. Dann muss ich strenger sein als ich es sonst bin.
An welchem besonderen Ort und zu welchem Event würdest du gern einmal ein Konzert machen?
Zuletzt hatte ich die Idee, mit einem meiner Chöre in derAdventszeit Weihnachtslieder an verschiedenen Orten in der Langenfelder City zu singen, ohne vorherige Ankündigung, als Überraschung für die Menschen, die da gerade ihre Weihnachsteinkäufe tätigen. Aber jetzt habe ich vielleicht schon zu viel verraten! Inspiriert von einem Kollegen überlege ich auch, Kammerkonzerte an ungewöhnlichen Orten durchzuführen, zum Beispiel in einer Buchhandlung oder einem Bestattungshaus, im Schwimmbad oder im Wald.
Welches Stück macht dir zz. am meisten Spaß und warum? Was hat dich überrascht?
Für unser Chorjubiläum im November probe ich im Moment mit dem Chor der Lukaskirche das „Gloria“ von Vivaldi, ein recht anspruchsvolles Stück. Das macht der Gruppe und mir sehr viel Spaß, ist aber auch eine Herausforderung. Mit dem Familienchor erarbeite ich zz. englischsprachige Literatur aus dem Worship-/Gospelbereich.
Worüber ich mich gerade sehr freue, ist, dass ich mit ganz vielen motivierten Kindern ein Kindermusical einstudiere. Wir erarbeiten ein Stück zum Thema „Schöpfung“, das im Oktober aufgeführt wird. Die große Anzahl interessierter Kinder, das hat mich tatsächlich überrascht.
Was ist das Nervigste im Alltag einer Kantorin, was stört dich am meisten?
Zuerst möchte ich sagen, dass der Alltag einer Kantorin sehr schön und sehr abwechslungsreich und wirklich fast gar nicht nervig ist. Ich habe, auch durch das sehr produktive Arbeitsklima hier in Langenfeld, jede Menge Freiräume, wie ich meine Arbeit gestalten kann und dadurch kann ich ganz vieles selbst entscheiden. Was ich nicht so besonders gut kann, sind die jährlichen Haushaltplanungen, da brauche ich immer viel Hilfe von meiner lieben Dienstvorgesetzten, das ist im Augenblick Pfarrerin Annegret Duffe.
Vermisst du deine Heimat Kaiserslautern sehr und was ist dort anders, gibt es Unterschiede zwischen den Regionen Pfalz/NRW?
Ich vermisse meine Heimat schon gelegentlich, fahre aber recht häufig hin, weil ich dort noch familiäre und viele freundschaftliche Verbindungen habe. In meiner Jugend habe ich dort zur Taschengeldaufbesserung bei vielen Gottesdiensten in kleinen Dorfkirchen gespielt. Als ich dann als junge Erwachsene ins Rheinland kam und hier begann, Gottesdienste zu begleiten und die C-Ausbildung zu machen, war ich sehr positiv überrascht, dass hier in der Liturgie wesentlich mehr gesungen und musiziert wird als in meiner Heimat.
Die Fragen stellte Frau Dr. Julia Luzius, Presbyterin